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Natur vor der Haustür

10/2022 Vierzig Jahre BUND Naturschutz Ortsgruppe Oberhaching

Können Sie sich Oberhaching ohne die Ortsgruppe des BUND Naturschutz vorstellen? Manche von Ihnen werden sich fragen: „Wer oder was ist das denn?“. Oder gar denken: „Besser, es gäbe sie nicht.“, wenn z.B. ein Baum wegen unseres Einspruchs nicht gefällt werden durfte. Vielleicht gehören Sie aber auch zu denjenigen – wie wahrscheinlich unsere ca. 400 Mitglieder – die überzeugt sind: „Schön und gut, dass es sie gibt!“. Jetzt feiern wir 40jähriges Jubiläum.

Die Ortsgruppe Oberhaching des BUND Naturschutz (BN) wurde offiziell am 4. Oktober 1982 gegründet. Damals gab es in Bayern bereits mehrere Naturschutzverbände, die sich mit global bestehenden Umweltproblemen auseinandersetzten. So entwickelte sich auch in Oberhaching der Gedanke, eine Naturschutz-Ortsgruppe zu gründen, um vorhandenen Umweltproblemen entgegenzuwirken. Die Gründungsversammlung fand in der Gaststätte „Bad Furth“ statt mit der Wahl der Vorstandschaft: als Vorsitzender Alfred Kühn, zur stellvertretenden Vorsitzenden Elfriede Hilmer. Initiator der Gründung der Ortsgruppe war Dr. Karl Hofmann, örtlicher Vertreter des BN und Mitglied des Landesvorstandes des BN.

Arten- und Biotopschutz
Seit unserem Bestehen haben wir bezüglich Arten- und Biotopschutz in unserer Gemeinde sehr viel erreicht.
Bereits 1985 setzte sich die Ortsgruppe erfolgreich dafür ein, dass der südliche zur Rekultivierung vorgesehene Teil der ehemaligen Kiesgrube nordöstlich von Furth als wertvolle Biotopfläche erhalten wurde.
1987 erfassten wir alle bekannten Amphibienlaichgewässer, aber auch andere naturnahe Bereiche, und meldeten diese der Unteren Naturschutzbehörde zur Prüfung ihrer Schutzwürdigkeit. Sie wurden dann in den 1991 erstellten Landschaftsplanentwurf übernommen und weitgehend auch 2005 in den neu aufgestellten Flächennutzungsplan.

Dem damaligen Protokoll ist zu entnehmen, dass „die Ortsgruppen durch Veranstaltungen, Exkursionen und gezielten Aktionen dazu beitragen, dass die Ziele des BUND Naturschutz in ihrem örtlichen Bereich verwirklicht werden. Sie greifen vornehmlich örtliche Probleme des Natur- und Umweltschutzes und der Landschaftspflege auf und wirken im Einvernehmen mit dem Kreisvorstand auf deren Lösung hin“.
Am Anfang beschäftigte sich die Ortsgruppe vor allem mit den Themen Waldsterben, Atomenergie, naturnahe Gärten, biologischer Landbau, Massentierhaltung, Müll, Recyclingpapier, Phosphate in Weichspülern und Waschmitteln, Fluorchlorkohlenwasserstoffe in Spraydosen, Arten- und Biotopschutz, Tempolimit und Stellungnahmen zu Bebauungsplänen. Viele dieser Themen sind noch heute höchst aktuell, weitere sind hinzugekommen.

In Laufzorn liegen schützenswerte Lebensräume für die meisten der bei uns (noch) anzutreffenden Amphibienarten – z.B. Erdkröte, Gras- und Springfrosch, sowie Teich- und Bergmolch. Außerdem befinden sich dort die bedeutsamsten Laichgewässer für Laubfrosch und Gelbbauchunke im südlichen Münchner Landkreis. Beide Amphibienarten stehen auf der Roten Liste Bayern und sind stark gefährdet. Ohne unseren engagierten Einsatz durch das Anlegen kleiner Teiche würde es hier keine Gelbbauchunken (Foto) mehr geben!
Die Kiesabbaugebiete östlich von Oberhaching sind für die Bestandserhaltung der Wechselkrötenpopulation von größter Bedeutung. Die erste Beobachtung dieser Art, die ebenfalls auf der Roten Liste bedrohter Tierarten steht, aber bereits unter der Rubrik: „vom Aussterben bedroht“, stammt aus dem Jahr 1994.
Weitere Teiche wurden von uns – oder mit unserer Unterstützung – angelegt und werden von uns regelmäßig gepflegt: Gleißental-Weiher (Foto), Laichgewässer in Furth, sowie am Leonhardiweg.

Auf ihrer jährlichen Frühjahrswanderung über die Römerstraße zwischen Deisenhofen und Straßlach zu ihren Laichgewässern nach Laufzorn sind die Amphibien (hauptsächlich Erdkröten, aber auch Gras- und Springfrösche) seit 1991 durch die von uns abends geschlossenen Straßenschranken geschützt.
Ab Oktober 2005 konnten wir eine Fläche am Schlagerberg pachten und im Frühjahr 2007 das dort seit langem trocken gefallene Gewässer als Amphibienbiotop wieder herstellen. Ein von uns gebautes Insektenhotel vervollständigt das Gelände.

2008 gelang es dem BN, die zwei Baustellen des beendeten Stollenbaues der Stadtwerke München zu je 5000m² zu so genannten Ökokontoflächen umzugestalten. Die Fläche nahe der Kugleralm ist eine gelungene Magerrasenfläche mit vielen von Schmetterlingen besuchten Wiesenblumen, bei der Fläche im Lanzenhaarer Feld wurden mit unserer Unterstützung vier Teiche angelegt, speziell für Gelbbauchunken und Laubfrösche (Foto).
Ab 2008 unterstützten wir auf Grund unserer Erfahrungen und Kenntnisse auch das Walderlebniszentrum Grünwald mit dem Bau von drei Teichen u.a. für Gelbbauchunken.
Gemeindeweit wurden von uns mehrere Wildbienenstände errichtet.

Um die Brutmöglichkeiten für unsere Vögel zu verbessern, haben wir schon immer Nistkästen für Singvögel, aber auch für Käuze (Wald- und Raufußkauz) (Foto), sowie für Mauersegler aufgehängt.

Außerdem brachten wir Turmfalkenkästen in den Türmen der beiden katholischen Kirchen an, in denen jedes Jahr die Aufzucht von meistens 4-6 jungen Turmfalken (Foto) erfolgt.
In unseren Wäldern gibt es ca. 250 Singvögel-Nistkästen (ein Teil davon von der Forstverwaltung), die alle in jedem Herbst regelmäßig von uns kontrolliert, d.h. gereinigt und bei Bedarf repariert werden. Zu diesem Zeitpunkt wird auch erfasst, ob und welche Arten sich in den Kästen einquartierten. Damit haben wir über Jahrzehnte hinweg einen guten Überblick über die eingetretenen Veränderungen.
Bei Hilfsaktionen für Turmfalken und Waldkäuze wurden aus ihren Nestern gefallene Jungvögel wieder sicher dorthin zurück gebracht.
Wir kontrollieren außerdem die Mehlschwalbennester, insbesondere in der größten Kolonie im Gut Laufzorn, wo 2021 erfreulicherweise ca. 100 Brutpaare festgestellt werden konnten.
In den Kiesgruben schützen wir jedes Jahr gemeinsam mit dem Kiesgrubenbesitzer die Bodennester der Flussregenpfeifer.

Auch die Pflege von Magerrasenflächen hat ihren Stellenwert. Auf Anregung unserer Ortsgruppe wurde 2000 eine „Bestandsaufnahme und ein Pflege- und Entwicklungskonzept für die Bahnbiotope an der Strecke Großhesseloher Brücke – Sauerlach“ erstellt, damit z.B. der Große Wiesenknopf und der auf ihn angewiesene Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Foto) bei uns überleben kann.
Dieses Konzept gab den Anstoß für laufende Programme des Landschaftspflegeverbandes. Seit über 20 Jahren setzen wir uns für eine extensivere Pflege der öffentlichen Grünflächen ein.
2019 wurden von uns 6000 Krokuszwiebeln auf Grünflächen vor dem Rathaus gesteckt.

Viel beachtet ist der „Viecherlturm“ östlich der Kugleralm, eine stillgelegte ehemalige Trafostation. Die Ortsgruppe bekam 2002 von der Gemeinde das Nutzungsrecht. Die Einrichtung der verschiedensten Nistmöglichkeiten für Insekten, Amphibien, Reptilien und Vögel erfolgte durch die Naturschützer. Eine Schautafel weist auf die vielen potenziellen Nutzer (z.B. Siebenschläfer, Waldkauz) des Turms hin (Foto).
2008 konnten wir auf Gemeindegrund eine Streuobstwiese anlegen. Auf ca. 1000m² pflanzten wir mit Unterstützung des gemeindlichen Bauhofes 12 Obstbäume. Auf einer Infotafel sind die verschiedenen Obstsorten beschrieben.

Klimaschutz
Das Engagement in Sachen Klimaschutz begann bereits in den ersten Jahren mit Vorträgen zur Energieeinsparung und zur Sonnenenergie. 1996 wurde von Monika und Walter Straub der Arbeitskreis Energie ins Leben gerufen. Er legte schon damals der Gemeinde einen Vorschlag für ein Förderprogramm zur Energieeinsparung vor. 1997 entstand in diesem Arbeitskreis das Projekt „Die Energiewürfel“. Dieses begehrte Ausstellungsobjekt war etwa 10 Jahre in Bayern unterwegs und konnte 2007 wieder im Rathaus bewundert werden, sowie zuletzt 2019 im Rahmen des Tages der Biodiversität im „Forstner“.
Das Thema Verkehr sorgte bereits in den 80er Jahren für Probleme. Damals war es die Umgehungsstraße M11, seit 2007 ist es der Autobahn-Südring, der für eine neue Dimension in der Flächenversiegelung und Naturzerstörung stehen würde. 2013 wurde dieser von der bayerischen Staatsregierung vorerst ad acta gelegt.

Umweltbildung
Unser großes Anliegen von Anfang an war und ist der Bereich Umweltbildung.
Naturführungen (Vogel- und Schmetterlings-Beobachtungen) sind sehr beliebt. Ebenso die jährliche Wanderung zu den Amphibien, insbesondere zu den Wechselkröten.
Ein Team von Hobby-Ornithologen ist seit 1993 in Oberhaching aktiv. An der heimischen Vogelwelt interessierte Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde melden uns ihre Beobachtungen. Alle Meldungen werden in einer Datenbank erfasst und jeweils am Ende eines Jahres ausgewertet. Die Auswertung beinhaltet immer wieder Vogelarten, die den meisten weitgehend unbekannt sind. Natürlich handelt es sich hierbei nicht immer um heimische Vögel, die bei uns brüten. Im Winter sind Gäste aus Nord- und Osteuropa bei uns. Im Herbst/Frühjahr halten sich Durchzügler auf ihrem Zug in den Süden bzw. zurück bei uns auf. So sind in den letzten 30 Jahren 195 verschiedene Arten zusammen gekommen. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt jeweils am Ende eines Jahres. Regelmäßig wird eine Info-Veranstaltung unter dem Titel „Die Vogelwelt Oberhachings“ angeboten.
Wanderausstellungen wie „Grün kaputt“, „Essen aus dem Genlabor“, „Kein Schöner Wald“, „Lebendiger Boden“, „Moorschutz ist Klimaschutz“ oder Ausstellungen aus der eigenen Werkstatt wie „Flora und Fauna in Oberhaching“, erstellt im Jubiläumsjahr 1999 der Gemeinde, fanden das Interesse vieler Oberhachinger Bürgerinnen und Bürger.

Öffentlichkeitsarbeit
Die Ortsgruppe erarbeitet seit ihrem Bestehen Stellungnahmen zu Bebauungsplänen der Gemeinde. Bei der Neufassung des Oberhachinger Flächennutzungsplanes mit integrierter Landschaftsplanung war sie ebenfalls beteiligt.
Der BUND Naturschutz ist unabhängig von öffentlichen Mitteln. Er finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Deshalb stellt die jährliche Haus- und Straßensammlung eine wichtige Einnahmequelle dar. Unterstützt werden wir dabei von eifrigen Sammlerinnen und Sammlern des Gymnasiums Oberhaching, die dieses Jahr wieder eine beachtliche Summe an Spenden für den BN gesammelt haben.
Die Unterstützung von Volksbegehren und Volksentscheiden war fester Bestandteil des Engagements: „Besseres Müllkonzept“ 1991/1992, „Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen“ 1995, „Gentechnikfrei in Bayern“ 1997, „Aus Liebe zum Wald“ 2004, „Gesundheitsvorsorge beim Mobilfunk“ 2005 und das Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ 2019.
Regelmäßige gemeinsame Agenda 21-/BN-Veranstaltungen, wie z.B. zum Thema „Biodiversität“ oder „Lebensmittel aus der Region – gut und nah“, finden große Beachtung.
Seit es das Straßenfest in Deisenhofen gibt, beteiligen wir uns mit unserem vielseitigen, bunten Stand. Auch beim „Tag der Offenen Tür“ im Bienenheim Deisenhofen sind wir vertreten.
Monatlich werden in den Kyberg NACHRICHTEN von Mitgliedern der Ortsgruppe informative Umwelttipps veröffentlicht.
Seit 2006 sind wir mit einer Homepage im Internet präsent und können damit Interessierte ganz aktuell über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden halten.

 Veröffentlichungen:

1999:Bericht im neuen Heimatbuch der Gemeinde „Lebendige Heimat – Oberhaching“, Seite 149-156 , „Natur und Umwelt“
1999:„Beitrag des BN Oberhaching zur Jubiläumsausstellung 100 Jahre Eisenbahn München-Ost – Deisenhofen“, eine Bahnbroschüre zu Bahntrassen als Biotopverbundachsen
2007:Wanderführer „Naturkundliche Wanderungen in und um Oberhaching“ zum 25jährigen Jubiläum der Ortsgruppe Oberhaching
2010:Broschüre „Biodiversität in Oberhaching“
2013:Broschüre „Die Vögel Oberhachings“
2019:Informationsblatt „Was können wir in Oberhaching gegen das Artensterben tun?

Wir haben in den letzten 40 Jahren schon viel erreicht. Und dennoch gibt es weiterhin viel zu tun. Der fortschreitende Klimawandel stellt uns und die zukünftigen Generationen vor große Herausforderungen. Die massive Veränderung unserer Umwelt hat enorme negative Auswirkungen zur Folge, die es gemeinsam zu bewältigen gilt. Eine große Bedrohung stellt das Artensterben dar. Täglich sterben zahlreiche Tier- und Pflanzenarten aus. Laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) sind aktuell rund 41.000 Tier- und Pflanzenarten akut vom Aussterben bedroht. Das einspricht ca. 28% der von der IUCN erfassten Arten.
Deshalb ist es uns besonders wichtig, unsere Mitmenschen aufzuklären und zu sensibilisieren, damit wir die Vielfalt unserer Umwelt schätzen und schützen.
Abschließend geht ein großes Dankeschön an unsere Vorstände Alfred Kühn (1982 – 1985), Elfriede Hilmer (1985 – 1990), Erna Pletschacher (1990 – 2015), Gerhard Mebus (seit 2015) und unseren langjährigen kompetenten Fachmann in Sachen Arten- und Biotopschutz Eike Hagenguth. Ohne sie wäre die Ortsgruppe nicht das, was sie heute ist – eine der aktivsten in München und im Münchner Umland.
Außerdem bedanken wir uns ganz herzlich bei unseren zahlreichen Mitgliedern, Förderern und Helfern für ihre tatkräftige Unterstützung und Treue. Wir freuen uns auf viele weitere Jahre, in denen wir gemeinsam der Natur Gutes tun.

Machen auch Sie mit!