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Natur vor der Haustür

05/2022 Die Wechselkröte, Lurch des Jahres 2022 – Zuzügler bei uns mit begrenztem Bleiberecht?

1993 gab es die erste Beobachtung von Wechselkrötenkaulquappen in einer Regenwasseransammlung nach Abschub des Oberbodens auf der späteren Kibekbaustelle in Potzham.
1995 wurden die ersten Vertreter dieser Lurchart im Gelände der damaligen Kiesgrube, auf dem sich heute das Werk der Bioenergie Taufkirchen befindet, entdeckt. Bis zu diesem Zeitpunkt war bei uns keine Wechselkröte gesichtet worden.
Es folgten regelmäßige Vorkommen in dem heutigen rekultivierten Kiesabbaugebiet westlich des Hagweges bis in die heute betriebene Kiesgrube eines Oberhachinger Besitzers. Eine Beendigung des Kiesabbaues, der bei uns allerdings nicht unmittelbar bevorsteht, wäre wahrscheinlich auch das Ende der Wechselkröten bei uns.
Diese ansprechende grün gemusterte Krötenart findet man auf der Roten Liste unter den „vom Aussterben bedrohten Tierarten“. Die eigentlich anspruchslose, wärmeliebende Amphibienart hat ihren ursprünglichen Lebensraum in unverbauten Flussauen mit Kies- und Sandbänken, sowie eingestreuten, durch Hochwasser entstandenen Wassertümpeln. Diesen Lebensraum hat sie bei uns fast vollständig verloren. Dafür hat sie in Abbaugebieten von Sand, Lehm und Kies zum Teil sehr gute Ersatzlebensräume gefunden. Dennoch sind die besonders erfolgreichen Lebensräume im Münchner Raum laut Landesbund für Vogelschutz (LBV) zwischen 1970 und 2010 um ca. 80% geschrumpft und dieser Rückgang hat sich mit großer Wahrscheinlichkeit fortgesetzt. Warum sind bei uns die Kiesabbaugebiete für das Überleben der Wechselkröte so wichtig? Hier findet sie noch flache, möglichst spontan entstandene, weitgehend vegetationslose Wasserlachen, kleinere wassergefüllte Fahrspuren und ähnliche wasserführende Bereiche, die sie für die Reproduktion ihrer Art benötigt. Diese Nachwuchsgewässer für ihre Kaulquappen haben einen entscheidenden Vorteil im Gegensatz zu den Dauergewässern. Sie erwärmen sich sehr schnell und sind frei von Fressfeinden wie Fischen, Libellen-, Gelbrandkäfer- und Köcherfliegenlarven. Die große Gefahr allerdings ist ein vorzeitiges Austrocknen. Der festzustellende Klimawandel verstärkt diese Gefahr leider noch.

Das langgezogene, melodische Trillern der Männchen während der Paarungszeit ertönt bei Dämmerungsbeginn von Ende April bis Anfang Juni. Wie auch bei anderen Krötenarten wird der Laich als Laichschnur abgesetzt und kann über 10.000 Eier enthalten. Aus den Eiern können bereits nach wenigen Tagen die Kaulquappen schlüpfen. Da die Laichzeit der Tiere relativ spät beginnt, garantiert der bereits hohe Sonnenstand eine schnelle Entwicklung der Kaulquappen. In ungefähr sechs Wochen können dann tausende Jungkröten das Gewässer verlassen. Gefahr droht allerdings von Krähen, Elstern, Staren und anderen Vögeln, die die jungen auswandernden Kröten auf den meist nackten vegetationslosen Böden nur aufzusammeln brauchen. Im Gegensatz zu den nachtaktiven Alttieren sind die sogenannten Hüpferlinge auch oft tagsüber anzutreffen. Die Alttiere verstecken sich tagsüber z.B. unter Steinen, in Mauselöchern der Oberbodenwälle und anderen Hohlräumen und gehen nachts auf dem meist vegetationsarmen und vegetationsfreien Gelände auf Jagd. Trotz der oft sehr hohen Reproduktionszahlen hält sich der Bestand an geschlechtsreifen Tieren in Grenzen. Die Verfüllung der oft als Versteck und Überwinterungsraum genutzten „Kippen“, also dort wo der Bauschutt abgeladen wird, die häufige Umlagerung der ebenfalls als Versteck und zur Überwinterung genutzten Oberbodenhaufen und die Rekultivierung fordern von Alt- und Jungtieren einen hohen Tribut. Ohne einen Schutz und der Duldung verschiedenster spontan entstandener Kleingewässer durch die Betreiber von Abbaustellen kann die Wechselkröte kaum auf Dauer überleben. Sie sind es, die durch ihr Tun oder auch nicht Tun, dafür sorgen können, dass die Art weiterhin bei uns existieren kann. Bisher ist das hier in einigen Kiesgruben Dank aktiver Schutzbemühungen durch den Betreiber – z.B. durch Wassernachschub bei Austrocknungsgefahr – in Zusammenarbeit mit dem BUND Naturschutz und einer engagierten Privatperson auch gelungen. Bleibt nur zu hoffen, dass uns diese vom Aussterben bedrohte Amphibienart noch lange erhalten bleibt.

Eike Hagenguth