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Natur vor der Haustür

12/2020 Kleine Kerzenkunde

Gerade in der Adventszeit, mit den kurzen und oft dunklen Tagen, sind brennende Kerzen ein Stimmungsaufheller und schaffen eine behagliche Atmosphäre. Zu den Klassikern gehören laut dem europäischen Kerzenverband (European Candle Association ECA) weiße Teelichter, mit Wachs gefüllte Gläser und Stumpenkerzen.
Der wichtigste und preiswerteste Kerzenrohstoff ist immer noch Paraffin, ein Nebenprodukt der Erdölraffination. Etwa drei Viertel aller Kerzen in Deutschland sind Paraffin-Kerzen. Sie stehen, wie alle Erdölprodukte, wegen ihrer schlechten Umweltbilanz in der Kritik. Speziell die meisten der im Möbelhaus oder im Supermarkt erstandenen Kerzen bestehen aus Paraffin. Dabei handelt es sich oft um Billigkerzen, die im Pulverpressverfahren industriell hergestellt sind (gepresstes Paraffin-Granulat mit Docht und Lufteinschlüssen) und die versprochene Brenndauer meistens nicht erreichen. Hingegen bei den 16 von Stiftung Warentest bereits 12/2016 getesteten Paraffin-Stumpenkerzen, u.a. namhafter deutscher Hersteller, vergaben die Tester die Noten „sehr gut“ (4) bis „befriedigend“ (7).

An zweiter Stelle rangiert Stearin, das aus pflanzlichen und tierischen Fetten gewonnen wird. Dabei werden die Kerzen meist aus Palmöl oder Kokosfett hergestellt. Ein aus Palmöl hergestelltes Wachs ist im Prinzip ein nachhaltiges Kerzenwachs, weil es aus einem nachwachsenden Rohstoff gewonnen wird. Aber es ist, wegen der für den Anbau von Ölpalmen brandgerodeter und trockengelegter Regenwälder, umstritten. Deshalb sollte man auf zertifiziert nachhaltiges Palmöl achten. Leider ist das RSPO-Siegel (Roundtable in Sustainable Palm Oil) für nachhaltiges Palmöl in die Kritik geraten, weil u.a. Palmölfirmen ihre Zertifizierer selbst auswählen und bezahlen können, der RSPO keine unabhängigen Prüfungen der Zertifikate beinhaltet und die Palmölindustrie im RSPO stimmenmäßig dominiert.
Produkte, die RSPO-zertifiziertes nachhaltiges Palmöl enthalten, können den Hinweis „enthält RSPO-zertifiziertes nachhaltiges Palmöl“ tragen. Dann erfolgte eine strikte physische Trennung von Palmöl aus nachhaltigem Anbau und nicht-nachhaltigem Anbau entlang der gesamten Lieferkette. Das verwendete Palmöl stammt aus einer oder mehreren nachhaltig zertifizierten Plantagen und ist bis zu jeder einzelnen Plantage rückverfolgbar. Wurde dagegen nachhaltiges Palmöl von zertifizierten Plantagen mit konventionellem gemischt, oder lediglich Zertifikate für die benötigte Menge nachhaltigen Palmöls gekauft ohne die Möglichkeit, die Lieferkette zurückzuverfolgen, darf nur der Hinweis „erhöht die Produktion von RSPO-zertifiziertem nachhaltigem Palmöl“ vermerkt sein.
Stearinkerzen sind fester als Paraffinkerzen. Unter Einwirkung von Wärme (>40°C) sind sie formstabiler, d.h. dass sich Paraffinkerzen bei direkter Sonneneinstrahlung verbiegen, während Stearinkerzen ihre aufrechte Form beibehalten. Viele Kerzen bestehen aus einem Gemisch von Paraffin und Stearin (z.B. Verhältnis 80 % Paraffin zu 20 % Stearin). Aber nur mit maximal 10% Paraffin-Anteil im Wachs gilt eine Stearin-Kerze noch als Stearin-Kerze. Stearin ist biologisch abbaubar. Außerdem können Stearinreste, die nur natürliche oder naturidentische Farbstoffe enthalten, kompostiert werden. Kerzen aus Stearin brennen mit ruhiger Flamme und sind ruß- und tropffrei.
Der natürlichste, aber auch teuerste Rohstoff bei der Herstellung von Kerzen, ist Bienenwachs. Es verbreitet einen angenehmen Duft. Kerzen aus Bienenwachs sind sicherlich die umweltfreundlichste Variante, insbesondere wenn das Wachs aus einer Bio-Imkerei stammt.

Inzwischen gibt es auch Kerzen aus Sojawachs, das aus dem Öl der Sojabohne gewonnen wird. Die daraus hergestellten, meist hochwertigeren Kerzen, brennen rußfrei und langsamer ab als vergleichbare Paraffinkerzen. Einziger Nachteil ist, dass das Sojawachs aus den USA kommt. Die europäische Antwort darauf sind Wachs und damit Kerzen aus Rapsöl. Der Grundstoff Sojaöl bzw. Rapsöl ist natürlich nur dann wirklich nachhaltig, wenn es ökologisch und zudem gentechnikfrei ist.
Es gibt übrigens auch bei Kerzen verschiedene Bio-Siegel. Als Bio-Kerzen dürfen nur Kerzen bezeichnet werden, die aus nachhaltig angebauten Rohstoffen hergestellt werden. Die Preise liegen zwar höher, aber dafür punkten Bio-Kerzen durch die längere und gleichmäßigere Abbrenndauer.
Generell gilt, dass die Reinheit einer Kerze verantwortlich ist für ein sauberes Verbrennen.
Gute Kerzen liegen schwer in der Hand. Außerdem riechen sie nicht künstlich.
Das „RAL Gütezeichen Kerzen“ steht für höchste Qualität bei den Rohstoffen (keine unbedenklichen und giftigen Inhaltsstoffe wie z.B. Schwermetalle, Schwefel) und dem Abbrandverhalten der Kerzen (u.a. ruß- und raucharm, Einhalten der angegebenen Brennzeit).

Etwa die Hälfte unserer Kerzen wird in Deutschland hergestellt. Nach dem Wegfall der Antidumpingzölle, die europäische Verbraucher vor Billigimporten aus China mit oft sehr schlechter Qualität schützten, nehmen Kerzen-Importe auch aus anderen Billiglohnländern zu (wie z.B. Indien und Vietnam). Die Qualität lässt sich mit europäischer Ware oft nicht vergleichen, und auch die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen muss in vielen Fällen angezweifelt werden (ECA).
Greifen Sie in jedem Fall zu Qualitätskerzen aus heimischer Produktion!

Oder haben Sie noch alte Kerzenreste? Daraus lassen sich leicht neue Kerzen selber machen. Viele Anregungen zu diesem Thema finden Sie in Hobby-Büchern und im Internet.

Karin Simon