05/2006 Nicht leicht hat es ein Straßenbaum
Als kleiner Sämling beginnt der Straßenbaum gewöhnlich sein Dasein in einer Baumschule. Wohl behütet, mit Düngern versorgt, vor Schädlingen weitgehend geschützt, verbringt er hier seinen ersten Lebensabschnitt. Mit 6-8 Jahren muss er dann raus ins raue Leben. Schon beim Transport kann er sich die ersten Blessuren holen. Für gewöhnlich darf der junge Baum dann mit fachgerechtem Einpflanzen rechnen. Er bekommt komfortable Stützen, eine Bewässerungsmulde, einen kräftigen Schluck Wasser und wenn er Glück hat, wird bei Trockenheit auch noch mal nachgeschenkt. Sein Gedeihen ist jedoch abhängig von dem Standort, der ihm zugedacht wurde.
Oft muss der Baum sich mit einem schmalen Wurzelraum, eingesperrt zwischen Asphalt und Steinplatten, begnügen und diesen manchmal noch mit verschiedensten Versorgungsleitungen teilen. Dieses schmale grüne Band wird häufig von Autoreifen traktiert oder Fußgängern festgetreten. Viel Regenwasser fließt an ihm vorüber ohne seine Wurzeln zu tränken. Streusalz setzt ihm zu und lässt sein Laub vorzeitig vergilben und welken. Sein Stamm wird von Stoßstangen, Bau- und Räumfahrzeugen oder Rasenmähern lädiert und daraufhin von holzzerstörenden Pilzen befallen.
Als ob der Überlebenskampf nicht schon schwer genug wäre, muss er auch noch die Säge von missliebigen Nachbarn fürchten. Dabei soll unser Baum doch die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen. Sein Laubkleid soll in der Sommerhitze Schatten spenden, Staub und Schadstoffe aus der Luft filtern, ein Aufheizen der Wohngebiete mindern, allerlei Getier von der Laus über Biene bis zum Vogel, Nahrung und Brutmöglichkeit bieten und den Menschen das Umfeld verschönern. Diese Erwartungen soll ein Straßenbaum ungefähr 80 Jahre lang erfüllen.
Erfreulicherweise gibt es in unserer Gemeinde auch Bäume, die trotz der genannten Stressfaktoren gut gedeihen und auch viele, die das Glück haben, an der richtigen Stelle zu stehen. Um aber möglichst vielen Bäumen ein gutes Gedeihen zu ermöglichen, unser Tipp: Grünbereich (Wurzelbereiche) der Bäume nicht durch ständiges Betreten oder gar Befahren verdichten, Rücksicht beim Ein- und Ausparken um den Stamm nicht zu beschädigen, auf Streusalz verzichten, vor allem aber diese Bäume nicht nach eigener Vorstellung zurechtstutzen! Sollte wirklich eine Schnittmaßnahme angeraten erscheinen, ist hierfür der Umweltbeauftragte der Gemeinde zuständig.
Übrigens kostet ein neuer Straßenbaum - in der in unserer Gemeinde verwendeten üblichen Pflanzgröße - inkl. Pflanzung ca. 450 €. Sollte ein optimal entwickelter Straßenbaum gar nach der „Kochtabelle“ (Gehölzwerttabelle für Straßenbäume), wie in manchen Kommunen üblich, bewertet werden, könnten für einen ruinierten Baum einige tausend Euro Wiederherstellungskosten fällig werden.
Eike Hagenguth