05/2024 Lebensraum Kiesgrube
Der geologische Untergrund von Oberhaching besteht großteils aus würmeiszeitlichen Schottern, die von Schmelzwasserströmen abgelagert wurden. Östlich von Oberhaching werden diese Sedimente in mehreren Kiesgruben abgebaut. Für den Naturschutz ist das Abbaugebiet von Bedeutung, weil es verschiedene Lebensräume auf engem Raum beinhaltet, was zu einer großen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten führt. Dass sich das Gelände ständig verändert, hat es mit den früher weit verbreiteten natürlichen Flusslandschaften gemein.
Die frischen Abbauflächen bieten für Wildtiere und -pflanzen zwar zunächst keinen Lebensraum und keine Nahrung. Doch entstehen immer auch ungenutzte kahle Kiesflächen, die bald von Pionierpflanzen besiedelt werden, wie Huflattich, Kamille, Nacht- oder Königskerzen. Damit stellen sich Insekten ein, darunter Schmetterlinge wie der Idas-Bläuling, der in Bayern nur an wenigen Stellen vorkommt; der Raum München ist sein wichtigster Verbreitungsschwerpunkt. Eine besondere Vogelart ist sogar auf solche Kiesflächen angewiesen: der Flussregenpfeifer legt seine Eier – ohne ein Nest zu bauen – auf den nackten Kiesboden.
In den Randbereichen wächst oft höhere Vegetation, wie Disteln und Karden. Sie sind eine üppige Nahrungsquelle besonders für Finken; im Winter sind manchmal ganze Schwärme von Stieglitzen zu beobachten.
Als Sicht-, Lärm- oder Staubschutz werden Wälle aufgeschüttet. Sie bestehen meistens aus mehr oder weniger nährstoffreichem Abdeck- oder Aushubmaterial, so dass sich auch nährstoffliebende Pflanzen wie etwa Brennnesseln ausbreiten.In solchen dicht bewachsenen Zonen können sich Feldhase, Fuchs und Wiesel verstecken, außerdem sind sie Wanderkorridore für viele Tiere. Die wärmeliebende Wespenspinne ist hier zu finden, ebenso wie Zauneidechse und Schlingnatter. Außerdem sind dies in Oberhaching meist die einzigen Stellen, an denen Vogelarten wie Dorngrasmücke, Sumpfrohrsänger und Schwarzkehlchen brüten.
Nach einigen Jahren sind Sträucher aufgewachsen, in denen der Neuntöter nistet. Bluthänfling und Goldammer nutzen die Gehölze als Singwarten. In dichteren und höheren Gebüschbeständen kommen weitere Singvögel vor, wie Gelbspötter und Gartengrasmücke.
Ein weiterer Aspekt der Kiesgruben ist das Vorkommen von kleinen Gewässern. Durch maschinelle Tätigkeit wird der Boden verdichtet und es bilden sich Pfützen, die nicht nur Vögel zum Trinken und Baden einladen. Auch siedeln sich Amphibien wie die seltenen Wechselkröten und Gelbbauchunken an, gerade in vegetationsfreien Pfützen. Von den Kiesgruben-Betreibern werden zudem größere Tümpel als – gesetzlich vorgeschriebene – ökologische Ausgleichsmaßnahmen angelegt.
Die Wechselkröte gilt in Bayern als vom Aussterben bedroht. Die meisten Vorkommen gibt es im Raum München, für die Erhaltung dieser Tierart sind Abbaugebiete von großer Bedeutung.
In den Tümpeln sind auch Bergmolche und Ringelnattern zu finden, und man kann verschiedene Libellen-Arten beobachten. Immer wieder lassen sich nordeuropäische Watvögel an den Wasserstellen nieder, um auf ihrem Weg in das in West-/Südeuropa oder Afrika gelegene Winterquartier zu rasten.
Die Abbaugruben werden in der Regel wieder mit Aushub verfüllt und für landwirtschaftliche Zwecke rekultiviert. Werden sie offengelassen, behalten sie eine hohe ökologische Bedeutung, so wie die alte Kiesgrube an der Karwendelstraße. Auch sie beherbergt einige Amphibienteiche, ist ansonsten aber größtenteils mit Gehölzen zugewachsen.
Markus Dähne